#8 Entschlusskraft - So treiben wir den Winter aus

 

Oh, ja, diese archaische Kraft, den Stier richtig bei den Hörnern zu packen! Hat etwas Hexisches. Nicht umsonst wird das Fastnachten, wo es die längsten Wurzeln des Brauchtums hat, mit wild verkleideten Gesellen gefeiert. Wie zu Samhain die Zeit der (Toten-) Geister begann, so geht sie nun zuende und der Sommer beginnt sein Ringen mit den Wintergeistern.
Wunderbar ist dieser Moment der Wurzelkraft, die sonst für so wenig anständig gilt. Auf einer Reise in den Senegal vor Jahren sah ich sie in den tanzenden Frauen und Männern. So unverschämt im wahrsten Sinne, dass mir sofort die Tränen schossen. In den wilden Rollen der Fastnachtsfiguren dürfen wir sie verkörpern oder zumindest erleben. Charles Baudelaire schreibt am Anfang eines Gedichtes mit dem Titel "Berauschet Euch": "Man
 
Foto: strichpunkt, pixabay                                                                                                                         muß immer trunken sein. Das ist alles: die einzige Lösung. Um nicht das furchtbare Joch der Zeit zu fühlen, das euere Schultern zerbricht und euch zur Erde beugt, müsset ihr euch berauschen, zügellos. Doch womit? Mit Wein, mit Poesie oder mit Tugend, womit ihr wollt. Aber berauschet euch. ..." Sich dem Rausch hinzugeben ist der Schlüssel zur Wurzelkraft, aus der Entschlüsse  mit lebendig ganzem Körper, Geist und Seele entspringen. Das Lied für heute trägt noch diese Kraft. Es ist im 16. Jh. aufgezeichnet worden, doch seine Tradition ist sicherlich älter.                                                                                                                         


Das Ritual für heute:

Gehe an einen Ort bei Dir zu Hause oder in der Natur, an dem Du Dich wohl fühlst und in Ruhe sein kannst. Es kann auch sehr schön sein, dieses Ritual zu zweit zu machen. Setze oder stelle Dich einen Moment ganz still hin und nimm mit allen Sinnen Deine Umgebung wahr, so wie sie für Dich ist, ohne zu bewerten. In der Ferne zu hörende Autos, lärmende Menschen oder bellende Hunde gehören auch zum Leben, genau wie Du, wenn Du jetzt zur Ruhe kommst. Dann singe, singt das heutige Kraftlied., so archaisch es Euch Freude macht. Es muss ja nicht immer schön klingen. Spielt, wenn Ihr wollt, eine Trommel dazu oder stampft auf die Erde.
Lass noch einmal die Herzensanliegen, die in den nächsten Wochen auf Dich warten oder die Du angehen willst, durch Deine Sinne ziehen. Die Frage für den Schwellengang heute lautet: Wo auf meinem Weg wartet Berauschendes? Wie kann es meine Entschlüsse mitgestalten? Dann suche Dir einen Stock oder ein Tuch und lege es Dir auf dem Boden bereit als eine Schwelle (mit genügend Raum dahinter, um einge Schritte zu gehen). Wenn Du bereit bist, tritt über die Schwelle und gehe in einem ruhigen, für Dich stimmigen Tempo Deinen Weg der nächsten Wochen bis zur Tag-und-Nachtgleiche oder bis zur nächsten Phase Deines Vorhabens hier schon einmal rituell. Nimm Dir Zeit, jeden Schritt zu spüren. Welche Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen stellen sich ein? Wie fühlt sich Berauschendes in Dir an? Wenn Du magst, sprich etwas von Deinem Erleben laut aus oder nimm es einfach für Dich wahr. Es kann sein, dass Du "Stationen" einlegst und immer wieder stehen bleibst, um genauer nachzuspüren oder einer Fülle von Empfindungen oder inneren Bildern Raum zu geben. Folge dabei ganz Deiner inneren Stimme. Bis wohin der Weg jetzt geht, entscheidest Du. Wenn Du am momentanen Ziel angekommen bist - schau Dich um und spüre nach, wie sich das anfühlt.
Dann kehre zu Deinem Ausgangspunkt zurück und tritt wieder über die Schwelle zurück.
Wenn Du magst, notiere Dir etwas zu Deinem Erleben oder tausche Dich aus, wenn Ihr zu Zweit seid. Beschließt das Ritual noch einmal mit einem Gesang.
Dann bringt Eure Schwelle wieder dorthin, wo sie herkam.

Genießt den Tag.

Der Gesang für die Entschlusskraft ist:

So treiben wir den Winter aus
youtube

      Dm        C              Dm
So treiben wir den Winter aus,
           Dm        C               Dm
durch unsre Stadt zum Tor hinaus,
        G                        Am
wir jagen ihn zuschanden,
       Dm                        C   Dm
hinweg aus unsren Landen.

Wir stürzen ihn von Berg zu Tal,
damit er sich zu Tode fall.
Wir jagen ihn über die Heiden,
dass er den Tod muss leiden.

Wir jagen den Winter vor die Tür,
den Sommer bringen wir herfür,
den Sommer und den Maien,
die Blümlein mancherleien.

T/M: trad. Deutschland

Noten im Buch: "Lieder für die Nachbarschaft"
https://www.lebenslieder.org/shop/
CD: "Früchte der Erde" hier erhältlich